Timothy-Syndrom

Ursache

Timothy-Syndrom (TS) ist eine seltene, genetisch-vererbte Krankheit, die durch spezifische Veränderung eines Gens namens CACNA1C verursacht wird. 

Gene sind bestimmte DNA-Sequenzen, die sich auf unsere Chromosomen befinden. Veränderungen der DNA-Sequenzen nennt man Varianten. Varianten, die die Funktion eines Genes verändern und folglich einen Einfluss auf die Gesundheit und/oder die Entwicklung haben, werden als pathogene Varianten bezeichnet.

Einige Varianten sind einzigartig und es ist ungewiss, ob sie schädlich sind; diese Varianten werden als “Varianten unklarer klinischer Signifikanz” bezeichnet und sie sollten nicht als pathogen (d.h. krankheitserregend) angenommen werden.

Spezifische pathogene Varianten des CACNA1C-Gens sind für unterschiedlichen Typen des Timothy-Syndroms ursächlich.

In den meisten Fällen treten die pathogenen CACNA1C-Varianten bei Kindern auf und kommen gar nicht bei dessen Eltern vor. Diese pathogene Variante bezeichnet man als de novo

Gelegentlich wird die pathogene Variante von einem der Eltern vererbt; dies passiert, wenn die Variante nicht in allen Körperzellen des Elternteils vorkommt, sondern nur in der Eizelle, im Spermium oder in einzelnen Körperzellen – dieses Phänomen bezeichnet man als Mosaik.

Laut aktuellem Stand sind Eltern mit einem Mosaik nicht vom Syndrom betroffen, da die Variante nur in einem Teil ihrer Zellen vorkommt.

Jeder verfügt über DNA-Sequenzvarianten. Die DNA-Sequenzvarianten kommen zufällig vor und werden nur dann bemerkt, wenn sie die Funktion wichtiger Gene verändern und infolgedessen den Gesundheitszustand, körperliches Erscheinungsbild oder das Verhalten modifizieren. Die DNA-Sequenzveränderungen werden nicht durch beeinflussbare Faktoren verursacht, sondern sind ein natürlicher Prozess.

Symptome

Die meisten Kinder mit Timothy-Syndrom haben:

  • Abnormale Herzfunktion
  • Irregulärer Herzschlag
  • Strukturelle Herzfehler
  • Neurologische Entwicklungsverzögerungen
  • Immunschwäche
  • Endokrine Dysfunktion
  • Gastrointestinale Beschwerden
  • Störungen der glatten Muskulatur
  • Störungen der Skelettmuskulatur 
  • Gesichtsanomalien
  • Syndaktylie (Verwachsung benachbarter Finger oder Zehen; bei TS Typ 1)
  • Milde Zahn-, Augen-, Haut- und Haaranomalien
  • Angeborene Hüftgelenksverrenkung bzw. Hüftdysplasie (TS Typ 2)

Manche Kinder mit Timothy-Syndrom haben ebenfalls:

  • Signifikante Episoden mit niedrigem Blutzuckerspiegel (Hypoglykämie)
  • Krampfanfälle
  • Temperaturschwankungen oder eine abnormal niedrige Körpertemperatur (Hypothermie)

Diagnose

Timothy-Syndrom wird dann diagnostiziert, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt werden:  

  • Identifizierung einer Mutation am CACNA1C-Gen
  • Vorkommen von multisystemischen Beschwerden, angeborenen Herzfehlern und/oder Entwicklungsstörungen

Eine CACNA1C-Genmutation, die eine Störung eines einzelnen Organsystems verursacht, sollte nicht als Timothy-Syndrom angenommen werden. NICHT alle Varianten des CACNA1C-Gens verursachen das Timothy-Syndrom.

Bei jedem Verdacht auf Timothy-Syndrom sollte das ganze CACNA1C-Gen sequenziert werden.

Behandlung und Therapie

Zurzeit gibt es für das Timothy-Syndrom kein Heilmittel. 

Es gibt jedoch mehrere Therapieansätze, die die Symptome lindern können. Diese umfassen unter anderem:

  • Medikamente für das Herz
  • Kontrolle des Blutzuckerspiegels (und dessen Management)
  • Sprech- und Physiotherapie
  • Medikamente für gastrointestinale Beschwerden

Timothy-Syndrom-Typen

Es gibt drei Typen des Timothy-Syndroms.

Der Verdacht auf Timothy-Syndrom tritt in der Regel kurz nach der Geburt auf und wird durch die Sequenzierung des CACNA1C-Gens bestätigt.

TS1

TS I wird diagnostiziert, wenn ein Gentest eine Veränderung der Aminosäurensequenz* (G406R**) an Exon 8A des CACNA1C-Gens identifiziert. 

Die Betroffenen stellen sich mit schwerwiegenden kardiologischen Beschwerden und Syndaktylie (Verwachsung der Finger oder Zehen), und weiteren multisystemischen Beschwerden vor.

TS2

TS II wird diagnostiziert, wenn ein Gentest eine Veränderung der Aminosäurensequenz (G406R) an Exon 8 (nicht 8A) identifiziert.

Die Betroffenen weisen schwerwiegende kardiologischen Beschwerden in Assoziation mit anderen multisystemischen Beschwerden auf, die unter anderem Hypotonie (niedriger Blutdruck) und/oder einer angeborenen Hüftverrenkung (bzw. Hüftdysplasie) umfassen. Sie haben jedoch in der Regel keine Syndaktylie.

*Aminosäuren sind die „Bausteine“ von Proteinen (im Kontext einer Veränderung der Aminosäurensequenz wird die Funktion des Proteins verändert). 

**Die Aminosäure Glyzin wird durch eine andere Aminosäure (Arginin) substituiert, wodurch die Funktionalität des L-Typ Kalziumkanals gestört wird.

Nicht-syndromales Long-QT-Syndrom 8

Das nicht-syndromale Long-QT-Syndrom 8 überschneidet sich mit dem Timothy-Syndrom insofern, dass die Betroffenen ein verlängertes QT-Intervall im EKG aufweisen. Es gibt viele Varianten im gesamten CACNA1C-Gen, die anscheinend nicht-syndromales LQT8 verursachen. Alle Betroffenen sollten sich von einem Kardiologen und Elektrophysiologen beraten lassen.

Atypisches Timothy-Syndrom (ATS)

ATS ist eine alte Bezeichnung, die wir neu definieren wollen. Die Bezeichnung „atypisches Timothy-Syndrom“ wird zurzeit auf Personen bezogen, die eine neue Variante des CACNA1C-Gens tragen und einige, aber nicht alle Symptome des Timothy-Syndroms aufweisen. Bei einigen Betroffenen können multisystemische Beschwerden auftreten, die sich mit dem Timothy-Syndrom vollständig überlappen.

Individuen, die vom atypischen Timothy-Syndrom (ATS) betroffen sind, sollten weitere medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, um festzustellen, ob sie eine neue Variante haben, die ein von Timothy-Syndrom nicht zu unterscheidendes Syndrom verursacht.

CACNA1C-bedingte Störung

Symptome

Das Protein, welches durch das CACNA1C-Gen codiert wird, fungiert in vielen verschiedenen Geweben und Organen des Körpers. Es ist möglich, dass einige Störungen, die ein mit dem Timothy-Syndrom überlappendes Symptom aufweisen, durch neue Varianten im CACNA1C-Gen verursacht werden.

Diagnose

Gentests können neue Varianten des CACNA1C-Gens aufdecken. In den meisten Fällen wird die neu-aufgedeckte Variante als „Variante unklarer klinischer Signifikanz“ eingestuft. Es bedarf dann weiterer medizinischer Untersuchungen sowie wissenschaftlicher Forschung, um festzustellen, ob diese Variante für das Krankheitsbild tatsächlich ursächlich ist. Wenn es nachgewiesen wird, dass die Mutation in der Tat die Symptome verursacht, kann die Variante dann als „pathogen“ (d.h. krankheitserregend) für eine CACNA1C-bedingte Störung eingestuft werden.

LoF-Variante

Das Timothy-Syndrom ist durch Gain of Function (GoF)-Varianten im CACNA1C-Gen gekennzeichnet, es gibt jedoch auch Personen mit CACNA1C-bezogenen Störungen, die eine Loss of Function (LoF)-Variante aufweisen.

Bei einer Gain-of-Function-Variante öffnen sich die Kalziumkanäle und bleiben lange Zeit offen. Infolgedessen kommt es zu einem verstärkten Einstrom von Kalziumionen, was zu einer erhöhten neuronalen Erregbarkeit führt.

Bei einer Variante mit Funktionsverlust tritt das Gegenteil ein: Es kommt zu einer unzureichenden Kanalöffnung, was dazu führt, dass weniger Kalzium in die Zellen gelangt und die neuronale Zündung verringert wird.

CACNA1C-Varianten mit Funktionsverlust können zu einer kurzen QT-Zeit (SQT) führen, einer hochgradig tödlichen Herzrhythmusstörung, die das Spiegelbild des Long-QT-Syndroms ist (verlängertes QT-Intervall), eines der charakteristischen Merkmale des Timothy-Syndroms.

Bisher wurden nur einige wenige Personen mit Loss of Function CACNA1C-Varianten gefunden. Diese Personen zeigen einen kombinierten Phänotyp (Symptome) eines kurzen QT-Intervalls und ein Brugada-Muster. Das Brugada-Syndrom ist eine weitere seltene, genetisch bedingte Herzerkrankung.

Bei mindestens einer Person gibt es eine Überschneidung mit dem Timothy-Syndrom. Dieser eine Patient hat nicht – wie es für die anderen CACNA1C-Patienten mit Funktionsverlust berichtet wurde – einen isolierten kardialen Phänotyp, sondern multiple Symptome.

  • short-QT-Syndrom (in diesem Fall ohne Brugada-Muster)
  • autismus
  • schlechter Zahnschmelz
  • eine geringe Auswirkung auf das Immunsystem
  • Hypoglykämie
  • schwere affektive Störung (Depression).

Eine kurze QT-Zeit kann mit Hydrochinidin behandelt werden (das das QT-Intervall verlängert). Ein plötzlicher Herztod kann durch die Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) verhindert werden.

Hintergrund

Das Timothy-Syndrom wurde nach Katherine Timothy benannt, die die Erkrankung erstmalig beschrieben hatte.

Als sie eine Studie zu Long-QT-Syndrome (bzw. Langes-QT-Syndrome) durchführte, hat Katherine eine kleine Gruppe von Säuglingen mit einem extrem langen QT-Intervall entdeckt, die bei der Geburt immer eine Syndaktylie (Verwachsung der Finger und Zehen) aufwiesen.

Die DNA dieser Kinder wurde gesammelt und während der nächsten 20 Jahren in jeder möglichen genetischen Studie eingeschlossen. Im Jahr 2004 wurde die ursächliche Mutation dann endlich entdeckt. 

Jedes Kind wies die gleiche genetische Veränderung (Mutation) in einem Gen, das für L-Typ Kalziumkanäle kodiert – CACNA1C. Die Erkrankung, die durch diese Mutation entsteht, wurde als Timothy-Syndrom bekannt.

Diese Webseite enthält allgemeine Informationen zu Erkrankungen, die durch das CACNA1C-Gen verursacht werden. Diese Informationen sind kein medizinischer Rat und sollten auch nicht als solche behandelt werden. Sie dürfen sich nicht auf dieser Webseite als Alternative zum medizinischen Rat ihres zuständigen Arztes verlassen. TSA fördert oder empfiehlt keine bestimmten Behandlungen, Therapien, Einrichtungen oder Gesundheitspläne. 

Die auf dieser Webseite enthaltenen Informationen dienen ausschließlich der Informierung. Jeder Behandlungsplan muss nach Absprache mit dem betreuenden medizinischen Fachpersonal erfolgen und durchgeführt werden.

Spenden

Kinder mit Timothy-Syndrom brauchen dringend eine frühzeitige Diagnose, Therapie und Behandlung.

Ihre Spende wird so helfen:

  • Sensibilisierung der Allgemeinheit und Vorantreiben der Forschung 
  • Verbesserung des wissenschaftlichen Verständnisses des Syndroms 
  • Verringerung der Isolation der Familien von betroffenen Kindern

Mit Ihrer Hilfe können therapeutische Ansätze und ein Heilmittel für zukünftige Generationen früher entdeckt werden.

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